An die
Rektorin der Zürcher Hochschule der Künste
Frau Dr. Karin Mairitsch
&
Departementsdirektorin Darstellende Künste & Film der ZHdK
Frau Marijke Hoogenboom
Btr.: Zukunft des bisherigen MA Theaterpädagogik
Brugg-Windisch, 21. Januar 2025
Sehr geehrte Frau Rektorin Mairitsch,
sehr geehrte Frau Hoogenboom
Als Akteur*innen im Feld Theaterpädagogik und -vermittlung, Applied Theatre und Kulturvermittlung, die freischaffend und institutionell in der theaterpädagogischen und künstlerischen Praxis als auch in der Hochschulausbildung tätig und über die gesamte Schweiz verteilt sind, wenden wir uns mit grosser Sorge an Sie.
Leider mussten wir feststellen, dass der Master Theaterpädagogik seit dem letzten Herbstsemester nicht mehr Bestandteil des Studienabgebots ist. Aus den Online-Informationen zum MA Theater «MATch» geht für uns hervor, dass die Vertiefung Theaterpädagogik de facto nicht mehr existiert.
Unsere Irritation rührt nicht zuletzt daher, dass der berufsqualifizierende Master Theaterpädagogik zum akkreditierten Programm der ZHdK gehört. Dadurch besteht eine Verpflichtung gegenüber Politik, Gesellschaft und Berufsfeldern. Da der Master of Art Education weiterhin bestehen bleibt, liegt die Vermutung nahe, dass es sich um ein fokussiertes Streichen im Umfeld der Performing Arts/Theater handelt.
Es gibt schwerwiegende Argumente für den Erhalt einer eigenständigen Vertiefung Theaterpädagogik:
- Theaterpädagogik und die Vermittlung von Theater haben sich in den letzten zwanzig Jahren im deutschsprachigen Raum zu einem bedeutenden Tätigkeitsfeld für Künstler.innen entwickelt – sowohl innerhalb als auch ausserhalb von Kulturinstitutionen und Hochschulen, insbesondere an der Schnittstelle von Kunst und Bildung.
- Eine MA-Vertiefung Theaterpädagogik vermag auch Pädagog*innen anzusprechen, die sich künstlerisch-wissenschaftlich weiterqualifizieren wollen. Diese Gruppe bringt sowohl disziplinär als auch berufssoziologisch andere Perspektiven in die Theaterausbildung. Für die Realisierung kultureller Teilhabe ist diese Berufsgruppe zudem so zentral, dass die faktische Auflösung der Vertiefung der aktuellen Kulturbotschaft des Bundes 2025-2028 (Handlungsfeld «Nachhaltigkeit im Kultursektor und Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts durch einen breiten Zugang zur Kultur») diametral entgegensteht.
- Absolvent*innen des MA Theaterpädagogik tragen massgeblich zu einer qualitativen Entwicklung der theaterpädagogischen Arbeit an Theatern, Schulen und an Pädagogischen Hochschulen bei und stellen Verbindungen sowohl zu zeitgenössischen Theaterästhetiken als auch zur Laientheaterkultur her.
- Auch wenn Theaterpädagogik und Theatervermittlung von Kunst her gedacht werden, gehen sie nicht in ihr auf. Ihr gesellschaftsbildendes Moment und kritisches Potenzial rührt vom emanzipatorischen Impuls der Bildung her. Zur produktiven Weiterentwicklung der Praxis an der Schnittstelle von Kunst und Bildung und den darin angelegten Spannungsverhältnissen braucht es eine (glokale) forschende Perspektive, die nur ein MA Theaterpädagogik bieten kann.
- Eine eigenständige Vertiefung Theaterpädagogik im MA Theater stellt eine vitale Öffnung nach Aussen dar. Sie verbindet die ZHdK-Theaterausbildung mit dem nicht-künstlerischen Umfeld, mit Stadt und Kanton und mit der Zivilgesellschaft.
- Ohne den Einbezug des pädagogischen Denkens und erziehungswissenschaftlichen Diskurses beraubt sich der MA Theater wichtiger Perspektiven, die zur proklamierten Diversität beitragen. Denn aus der Perspektive der Vermittlung und Theaterpädagogik ergeben sich eigenständige Fragen an das Theater, die impulsgebend waren und sind – bspw. mit Blick auf partizipative Formate, socially engaged arts, inklusive Ästhetiken. Zugleich tragen sie dazu bei, das Verständnis von Theater zu erweitern und neue Ästhetiken zu entwickeln.
Wir wenden uns an Sie, weil Sie sich möglicherweise der nationalen und internationalen Bedeutung der Theaterpädagogik-Ausbildungen im Bachelor und Master nicht bewusst sind. Beide Ausbildungen sind international vernetzt (bspw. mit dem Netzwerk Performing Arts in Context sowie mit Partnerinstitutionen in Kanada, Libanon und Südafrika) und haben eine lange Geschichte. Der internationale Austausch ist für die Qualität des Hochschulstandortes Schweiz wegweisend. Insbesondere die MA-Ausbildung verfügt in Fachkreisen über eine enorme, nationale und internationale Anerkennung und gilt als Referenz für das künstlerische Forschen zu Fragen von Gesellschaft, Schule und Communities sowie für eine dialogische Auseinandersetzung mit performativen Formaten jenseits offizieller Institutionen. Der Master Theaterpädagogik garantierte eine didaktische und forschende Qualifikation, die für den Nachwuchs in der Hochschullehre unabdingbar ist.
Die faktische Auflösung des MA Theaterpädagogik wird vor diesem Hintergrund weitgehend als Schlag gegen das Praxisfeld Theaterpädagogik in der Schweiz wahrgenommen mit Konsequenzen für die Theaterszene, für Kultur und Kulturvermittlung sowie die schulische und ausserschulische Bildung.
Wir, die Mitunterzeichnenenden, erwarten eine öffentliche Stellungnahme und hoffen, dass Sie in der Verantwortung der Hochschulleitung und der Departementsleitung Ihren Entscheid vor dem Hintergrund unserer Argumente nochmals überdenken und revidieren.
Wir danken Ihnen für Ihre Kenntnisnahme und verbleiben
mit freundlichen Grüssen